Unlängst kam ein Fakten-Check heraus….unser Initiativplattform Mitglied Stefan Knasmüller hat sie für uns ZERTRÜMMERT! ähem analysiert natürlich 🙂
Hier sind die 12 Fakten
und hier Stefans Entgegnungen….
Die Initiative Neue Soziale Martkwirtschaft hat eine Faktensammlung zu TTIP zusammengestellt, in der sie zeigen will, wie es sich mit TTIP verhält, warum das Abkommen gut ist, und warum die Gegner hysterische Globalisierungsgegner sind.
Ich möchte mich daher mit den „Fakten“ etwas näher auseinandersetzen, zu finden hier
Wer ist die Initiative Neue Soziale Martkwirtschaft?
Die Initiative ist ein sogenannter „Think Tank“, also eine Ideenschmiede, die vom deutschen Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanziert wird. Entsprechend ordoliberal, eine Abart des neoliberalen Wirtschaftsdenkens, sind deren Positionen auch! Daher kann auch die Haltung zu TTIP wenig überraschen! (vgl.: INSM , 02.03.2015)
(vgl.: Wiki-Beitrag, 02.03.2015)
Die Quellen für die 12 „Fakten“, die man präsentiert, sind allerdings nicht neu, meist schon vielfach kritisiert, weshalb auch die methodischen Schwächen längst bekannt sind! Dass man sie trotzdem wieder aufwärmt zeigt, dass hier kein Lernprozess stattgefunden hat!
Fakt 1, Handel sichert Wachstum und Arbeitsplätze
Es wird sich einer Grafik der Weltbank und WTO bedient, die zeigen soll, dass der Welthandel stark steigt, und laut Diktion der INSM es unerlässlich ist, sich einen großen Anteil daran zu sichern. Dies ist merkwürdig, da selbst in der „Faktensammlung“ angegeben wird, dass USA (23%) und EU (24%) gemeinsam bereits für ca. 50% verantworlich sind.
Die zweite Grafik soll zeigen, dass die, auf Druck des IWF weitgehend liberalisierten Entwicklungsländer, stärkeres Wachstum haben als die, immer noch protektionistischen, westlichen Wirtschaftsblöcke. Unerwähnt bleibt allerdings die Verteilung des BNE auf die Bevölkerung, die großteils sehr ungleich ist, weshalb nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung wirklich davon profitiert!
Interessant ist auch der gewählte Zeitraum von 2004-2013. Trotz Krise sind Welthandel und BNE pro Kopf um über das Doppelte gewachsen!
Außerdem werden Welthandel und BNE so dargestellt, dass es leicht zur Verwechslung kommen kann! Es wird auch nicht erwähnt, dass Entwicklungs- und Schwellenländer großes Aufholpotential haben, wodurch die Wachstumsraten erhöht sind. Ebenfalls verschwiegen werden gezielte Maßnahmen, die den Exporten der Entwicklungs- und Schwellenländer helfen. Etwa die Abwertung des brasilianischen Real seit 2012. Oder die gezielte Unterbewertung des chinesischen Yuan! Weiters unerwähnt bleiben die negativen Prognosen im Falle des Abschlusses von TTIP und CETA eben gerade FÜR die Entwicklungsländer! So etwa prognostiziert vom ifo-Institut für die Bertelsmannstiftung, eine Quelle die an anderer Stelle ebenfalls von INSM zitiert wird, hier aber außen vor bleibt!
Fakt 2, Mit TTIP entfallen Milliardenkosten für Zölle
Unerwähnt bleibt, dass dies auch Milliardeneinnahmen für die Staaten sind, die dadurch ebenfalls entfallen. Das dürfte aber ganz im Sinne der INSM, und ihrer wirtschaftlichen Sichtweise sein! (vgl. ÖFSE 2014, S. 2 ii)
Der höhere Wohlstand der hier versprochen wird, auch von der EU-Kommission, kommt allerdings in erster Linie von sinkenden, oder nicht steigenden, Verbraucherpreisen, was sich zu erst ganz gut anhört, läuft jedoch dem Versuch der Europäischen Union zuwider, für mehr Inflation zu sorgen, damit diese wieder auf das Inflationsziel von knapp unter 2% p.a. steigt! Denn derzeit sind die Inflationsraten innerhalb der EU so gering, dass sich die Union längst in Deflation befindet, eine Situation, mit der man ökonomisch noch weniger umgehen kann, als mit zu hoher Inflation!
Von der INSM werden die Einfuhrzölle in der EU und den USA in zwei Bereichen, Industrieprodukte und Agrarprodukte, gegenüber gestellt, wobei deutlich zu sehen ist, wie gering die Zölle bereits sind, vor allem was die Industrieprodukte betrifft!
Hier werden allerdings Durchschnittswerte präsentiert, weshalb gar nicht klar wird, dass für einen Großteil der Waren überhaupt keine Zölle mehr existieren, sondern nur noch bei wenigen Produkten, wie etwa Stahl und Autos, höhere Zölle fällig werden.
Fakt 3, Weniger Bürokratie, mehr Wohlstand
Es wird wohl nicht ganz zufällig dieser neoliberale Slogan gewählt für den nächsten Punkt!
Argumentiert wird mit den zusätzlichen Kosten für separate Zuslassung in den USA und der EU. Es wird sich dabei auf Untersuchungen von Ecorys und dem Institut der deutschen Wirtschaft berufen. Laut Ecorys sollen diese non-tarif-measure dabei einem Äquvalent von 17% Zoll oder 21% der Warenkosten entsprechen.
Die ÖFSE hat diese Berechnungen, oder Annahmen, von Ecorys schon mehrfach kritisiert, da andere wissenschaftliche Literatur von gerade einmal 3% Zoll ausgeht! (vgl.ÖFSE 2014, S.4 5b)
Verschwiegen wird aber auch, dass es selbst innerhalb der einzelnen Staaten in den USA und der EU unterschiedliche Zulassungsstandards gibt. Ebenfalls unerwähnt bleibt das unterschiedliche Maßsystem und die unterschiedlichen elektrischen Systeme in beiden Bereichen, die eine einfache Übertragung gar nicht erst möglich machen!
Die ÖFSE kritisiert auch die Leichtigkeit mit der man bei Ecorys nichttarifäre Maßnahmen (NTM) abschaffen will, da NTM oft zum Schutz von Konsumenten, Umwelt, Beschäftigten oder um Marktversagen zu verhindern, existieren! (z.B. im Finanzbereich)
Fakt 4, Mittelstand profitiert stark vom Abbau der Handelsbarrieren
„Während größere Unternehmen durch den Abbau von Zöllen entlastet werden, profitieren kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) stärker vom Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, die durch unterschiedliche Regulierungen und Standards entstehen.“ (Als Quelle dient dazu die ifo-Studie von 2013)
Doch, falls überhaupt, betrifft dies nur solche KMU die auch im Export tätig sind!
Ein Großteil der KMU produziert aber für den heimischen, sprich regionalen Markt, und gar nicht für den Export!
Laut Standard erzielen rund 12% der MITTELSTÄNDISCHEN Unternehmen einen Teil ihres Umsatzes im Ausland, unter Berufung auf „Außenwirtschaft Österreich“. Auch die APA meldet vergleichbare Zahlen in ihrer Aussendung vom 13.05.2014 (vg. APA OTS 2014)
Auf die Gefahren für KMU durch den Wegfall von NTM, die etwa einem lokalen Anbieter bisher sein Geschäft gesichert haben, weil er/sie sich darauf spezialisiert hatten, wird nicht mitberechnet.
Ebenso wenig werden die Risiken von Rechtsstreigigkeiten einkalkuliert!
Fakt 5, Keine Senkung von Verbrauchsstandards
„Die Angleichung der Standards bedeutet allerdings keine Senkung der Umwelt- und Verbraucherschutzstandards. Laut den Hauptverhandlungsführern beider Seiten ist das Niveau der Standards nicht verhandelbar.“
Diese Einschätzung überrascht, da von beiden Seiten immer wieder betont wurde, dass man internationale Standards, vor allem gegenüber der BRICS-Staaten, setzen will! Aber welche Standards will man dann setzen? Europäische? Amerikanische?
Auch die Aussage, dass die Vorbehalte der Verbraucher gegenüber Standards der anderen Seite ausreichen würden, damit es zu keiner Absenkung käme, sind nicht gerade glaubhaft!
Es gibt mehrere Aussagen, von Branchenvertretern, dass etwa das europäische Vorsorgenprinzip, oder ein Verbot von Wachstumshormonen in der Tiermast auf gar keinen Fall akzeptiert werden. Die selben Branchenvertreter sind auch sehr eng in die Verhandlungen eingebunden und haben an Positionspapieren der Verhandlungsführer mitgeschrieben!
Unerwähnt, und damit auch unberücksichtig bleibt außerdem die Wirkung der Regulatorischen Kooperation auf geltenden Gesetze nach Vertragsabschluss, bzw. auf die Entwicklung von Regulierungsversuchen in der Zukunft! Denn völlig unklar ist, wie sich diese neuen Systeme, die laut Vertragstext von CETA bis auf die kommunale Ebene wirken sollen, auf zukünftige Gesetzesinitiativen auswirkt. Etwa wenn neue Risiken bekannt werden, oder Interessensverbände und Bürgerinitiativen eine Regulierung erzwingen! (Siehe Frackingmoratorium in Quebec)
Fakt 6, Angleichung der Standards fördert den Handel
„Gelingt es der EU und den Vereinigten Staaten, die Regulierungssysteme anzugleichen, dürfte dies den Handel zwischen den beiden Regionen bis 2027 um gut 30 Prozent steigern. Für die europäische Wirtschaft würde das einen Wachstumsimpuls von etwa 0,5 Prozent bedeuten.“
Der Zeitraum von über 10 Jahren ist in dieser Studie wieder nicht zufällig gewählt! Unbeantwortet bleibt etwa auch, wie sich der Handel zwischen den Bereichen entwickeln würde, wenn es das Abkommen nicht gibt! Ein Absinken dürfte eher nicht zu erwarten sein.
Vergleicht man die 187 mrd. mit rund 13 000 mrd. Wirtschaftsleistung der gesamten EU ist das kaum ein Tropfen auf den heißen Stein! Wieder fehlen in dieser Einschätzung die Kosten für Umschulung, Insolvenzen und anderweitigen negativen Effekten durch die Aufhebung der NTM.
Als Quelle wird die CEPR-Studie von 2013 herangezogen, in der die Abschaffung keinerlei Beschäftigungseffekt hat, da für die Studie Vollbeschäftigung angenommen wird! (vgl. ÖFSE 2014, S. 4 5c) Dass dies derzeit auf keinen Fall so ist, dürfte jedem aufmerksamen Bürger bewusst sein!
Fakt 7, 119 Milliarden Euro Gewinne durch TTIP
Hier verspricht das INSM, unter Berufung auf die CEPR-Studie von 2013, dass bei einer Abschaffung aller Zölle und NTM das BIP pro Jahr um 0,5% wachsen könnte. Im letzten „Fakt“ waren es noch 0,5% in 12 Jahren!
Unklar bleibt auch wem dieses Wachstum des BIP zugute kommt! Nicht jeder profitiert davon in gleicher Art und Weise!
„Von TTIP profitieren alle: Unternehmen setzen mehr um, es gibt mehr Arbeit und letztlich auch höhere Steuereinnahmen.“
Dass dies aber nur bei Vollbeschäftigung gilt, falls überhaupt, wird nicht erwähnt! Unerwähnt bleibt wieder, dass das CEPR-Modell überhaupt keine Aussagen über die Beschäftigung machen kann, da die Beschäftigung für das gewählte Modell unverändert bleibt!! (vgl. ÖFSE 2014, S. 4 5c)
Fakt 8, Freihandel bedeutet höhere Einkommen
„Spürbar höhere Jahreseinkommen“ verspricht der „Fakt 8“. Diesmal sollen wieder bis 2027, und nicht pro Jahr, die verfügbaren Einkommen in der EU um 0,49% oder gesamt um 70,82 mrd. steigen. (laut CEPR-Studie) Ob dies durch real wachsende Löhne oder durch sinkende Verbraucherpreise geschehen soll, wird nicht erwähnt.
Außerdem wird ein Kausalbezug zwischen BIP und Einkommen hergestellt, so nach dem Motto „a rising tide lifts all boats“. Dies ist aber empirisch nicht wirklich nachweisbar. Nachweisbar dagegen ist, dass vor allem die obersten 10-20% einer Gesellschaft von einem Anstieg profitieren, die untersten 40% eher sogar noch verlieren!
Dann wird sogar noch einmal versucht so richtig Panik zu erzeugen, in dem man eine nicht näher spezifizierte, und auch in den Quellen nicht aufgelistete, Studie zitiert, die angeblich ein nur noch halb so hohes Pro-Kopf-Einkommen prognostiziert! (Universität von Chicago)
Fakt 9, Hunderttausende neue Arbeitsplätze
„Freihandel sorgt für mehr Beschäftigung.“
Versprochen werden diesmal bis zu 400 000 neue Arbeitsplätze für ganz Europa. In Spanien soll sich dabei die Arbeitslosenquote um 0,62% senken, was bei derzeit ca 25% Arbeitslosenquote wiederum kaum ein Tropfen auf den heißen Stein sein würde!
Das versprochene Wundermittel gegen die Krise und die Arbeitslosigkeit in Europa dürfte es selbst nach den positivesten Zahlen nicht sein!
Sogar der ifo-Institutsleiter Prof. Ph.D. Gabriel Felbermayr gibt zu, dass die Zahlen „sehr positiv dargestellt“ wurden und es noch andere negative Entwicklungen geben könnte (vgl. Interview downloaded 02.03.2015)
Auch die ÖFSE kritisiert die Studie des ifo-Institut und verweist noch auf anderen Literatur, die die „neuen Arbeitsplätze“ äußerst kritisch betrachtet, weil etwa in den neuen Arbeitsverhältnissen weniger verdient wird als vorher! (vgl. ÖFSE 2014, S 2, 2iii)
Auch wird verschiedentlich, so auch im ÖFSE-Text, auf das NAFTA-Abkommen verwiesen, welches mit ganz ähnlichen Versprechen Anfang der 1990’er Jahre verhandelt und 1994 abgeschlossen wurde.
Doch statt mehr Arbeitsplätzen hat es sogar zur Reduktion beigetragen. So haben etwa die USA rund 700 000 Arbeitsplätze in der Industrie an Mexico verloren, in Mexico wiederum haben ca. 1 mio Kleinbauern ihre Höfe verloren, weil sie gegen die billigen, und oft hoch subventionieren, Agrarimporte aus den USA nicht bestehen konnten!
Fakt 10, Handelszuwachs betrifft auch weitere Länder
„Die ganze Welt gewinnt“
Die ganze Welt? Nein! Ein kleiner unbeugsamer Teil der Weltbevölkerung gewinnt!
In diesem Fakt nimmt das INSM die Zahlen von CEPR 2013 um zu zeigen, dass durch das Abkommen etwas für jeden übrig bleibt. Doch selbst andere Quellen, die vom INSM zitiert wurden, sehen das anders! So etwa das ifo-Institut das für fast alle anderen Staaten außerhalb der neuen Handelszone negative Auswirkungen vorhersagt, ja selbst für den europäischen Binnenmarkt negative Auswirkungen vorhersagt! So etwa der Institutsleiter Gabriel Felbermayr im Interview in „Fakt 9“
Fakt 11, Investitionsschutz in TTIP sichert Wachstum und Arbeit
Das INSM mutmaßt, dass mit ISDS die Direktinvestionen steigen könnten und dadurch neue Arbeitsplätze entstehen würden. Doch dies lässt sich so eindeutig nicht sagen! Zum einen sind die Direktinvestionen der jeweils anderen Seite bereits sehr hoch, auch ohne ISDS verfahren! Die DI bis 2011 liegen kumuliert bei ca. 2 400 mrd. und steigen um ca. 80 mrd. pro Jahr! (vgl. ÖFSE 2014 unter Berufung auf die EU-Kommission)
Zum anderen, konnte Südafrika keine signifikant höheren DI von Ländern mit ISDS-Klauseln in Freihandelsabkommen feststellen im Vergleich zu Ländern mit Freihandelsabkommen ohne ISDS, weshalb Südafrika alle Verträge mit ISDS auslaufen lässt, oder nur noch durch Abkommen ohne ISDS ersetzt!
ISDS-Verfahren wurden nach dem 2. Weltkrieg für Länder ohne, oder mit unzureichendem, Rechtssystem entwickelt. Dies mündete im New Yorker-Abkommen von 1958 und wird auch im CETA-Text so bezeichnet. 1959 schloss Deutschland das damals erste Freihandelsabkommen mit ISDS-Klausel mit Pakistan ab.
Doch die Regionen des TTIP-Abkommen sind Regionen mit entwickelten Rechtssystemen und großer Rechtstradition! Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gilt auf beiden Seiten als sehr hohes Gut und sollte deshalb nicht durch eine Privatisierung untergraben werden!
Auch die Absicht diesen Mechanismus für zukünftige Abkommen mit Asien, vor allem China, oder Südamerika zu verankern ist äußerst fragwürdig! Da zum einen nicht garantiert werden kann, dass globale Konzerne diese Klauseln nicht auch gegen westliche Staaten (EU und USA) einsetzen, zum anderen schließen viele BRICS-Staaten und auch Entwicklunsländer keine Abkommen mit solchen Mechanismen mehr hab, da sie in der Vergangenheit überwiegend negative Erfahrungen damit gemacht haben!
Fakt 12, TTIP drängt: Importrestriktionen wachsen weiter
Im letzten Punkt soll dargestellt werden, wie wichtig ein Abkommen ist, dessen Ziel der Abbau von, aus Sicht der Autoren unnötigen Restriktionen, ist. So wurden in den G-20 Ländern, nach angaben dern WTO, mehr Restriktionen eingeführt als abgebaut. Gerade zu diesen Ländern gehören aber auch wichtige Verhandlungspartner des TTIP, und es stellt sich die Frage, warum man Restriktionen einführt, wenn sie doch angeblich überflüssig sind! Es ist zu erwarten, dass Restriktionen nicht freiwillig aufgegeben werden, weshalb von wenig demokratischen und kaum vermittelbaren Mechanismen zu deren Senkung ausgegangen werden muss!
Literatur
ÖFSE, 2014, downloaded 02.03.2015
Standard, 16.05.2010, downloaded 02.03.2015
APA OTS, 13.05.2014, downloaded 02.03.2015