TTIP GegnerInnen sind alles nur böse böse Kommunisten?
Angesichts des wachsenden Widerstands gegen TTIP & Co wird jetzt die neoliberale Propagandamaschine angefahren
Gastbeitrag von Franz Schäfer (mond)
Unter dem Titel TTIP-Gegner: Der Staat darf künftig enteignen gibt es jetzt einen Artikel der sich für TTIP und Co einsetzt. Und weil die BefürworterInnen dieses Abkommens bislang kaum auf die Bildfläche getreten sind und ihre Energie eher in Geheimverhandlungen und Lobbying gesteckt hatten nutze ich die Gelegenheit hier die absurden Argumente der TTIP BefürworerInnen zu zerpflücken.
Mittels einer Analogie unterstellt der Autor dieses Propagandatextes, dass alle GegnerInnen von TTIP für die entschädigungslose Enteignung und gegen den Rechtstaat überhaupt wären.
“Wenn mir in Deutschland vom Staat ein Grundstück enteignet wird, weil es direkt neben einem staatlichen Nationalpark liegt und dieser erweitert werden soll, dann habe ich ein Recht auf Entschädigung. In der Bundesrepublik Deutschland folgt das aus Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes. Nur sehr wenige Zeitgenossen würden ernsthaft behaupten, daß dieses Grundrecht auf Entschädigung den Rechtsstaat und den demokratischen Entscheidungsprozeß beeinträchtigt, weil sich die gewählten Vertreter des Volkes aufgrund der möglichen Entschädigungszahlungen gegen das geplante Projekt entscheiden könnten. Die möglichen Entschädigungszahlungen gehören zu den Kosten des Projektes. Wenn die demokratische Mehrheit das Projekt will, muß der Staat diese Kosten tragen. Fast jedem in unserem Land ist klar, daß eine entschädigungslose Enteignung gegen Grundprinzipien eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates verstößt. Eine entschädigungslose Enteignung wäre staatlicher Raub.”
Auch wenn es nicht explizit so ausgedrückt wird lässt es sich wohl so zusammenfassen: Die GegnerInnen sind alles böse böse KommunistInnen und AnarchistInnen.
Wo hinkt diese Analogie?
1.) selbst KommunistInnen, wie ich einer bin, sind üblicherweise nicht dafür einzelne kleine BesitzerInnen von etwas Grund willkürlich zu enteignen, nur weil die einen gerade zufällig ihren Besitz in der Nähe eines öffentlichen Bauprojektes haben:
2.) viel eher wäre hier eine andere Analogie angebracht: der Staat beschließt demokratisch darüber die Grundsteuern ein wenig (oder deutlich) zu erhöhen. Z.b. um das wachsende Gefälle zwischen Arm und Reich etwas zu verringern oder auch um Grundstücksspekulationen unattraktiver zu machen und den GrundeigentümerInnen etwas Anreiz zu bieten Grundstücke die sie nicht produktive nutzen können oder wollen an jene zu verkaufen die dies können. Würde ein Staat so ein Gesetz (aus welchen Grund auch immer) beschließen so würde das natürlich den Wert von allen Grundstücken reduzieren. Könnte dann der Verband aller Grundbesitzer oder ein einzelner Großgrundbesitzer den Staat klagen? Das ist die Frage die hier relevant wäre.
Kann man/frau sich einen Staat vorstellen der dumm genug wäre einen Vertrag zu unterschreiben der in etwa lautet: „Wir verpflichten uns euch für fast alle Fälle in denen wir Gesetze erlassen die sich negativ auf eure Profite auswirken auch in diesem Falle dafür zu entschädigen“. Schwer vorstellbar, aber genau das ist der Kern von ISDS. Am Ende sind dann nur noch Gesetzesänderungen denkbar die den Konzernen nützen aber keine mehr die ihnen Schaden.
Ein Tabakkonzern verklagt einen Staat weil dieser größere Gesundheitswarnungen auf Zigarettenpackungen fordert. Darf der Staat also nicht mehr im Interesse seiner BürgerInnen handeln? Oder sollen wir einfach auf die selbstregulierenden Märkte vertrauen die früher oder später den Tabakkonzern dazu bringen werden uns nur noch gesunde Produkte zu verkaufen? Wie absurd ist das?
Als nächstes argumentiert der Autor, es sei ja in Ordnung dass in Zukunft private Gerichte über uns entscheiden:
„Natürlich besteht immer die Gefahr, daß ein Gericht, sei es ein deutsches, ein internationales oder nur eine internationale Schiedsstelle, Fehlentscheidungen oder sogar interessengefärbte Entscheidungen fällt. Aber gerade deshalb entspricht es rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß nicht die Organe des Staates, der in einem Streitverfahren Partei ist, entscheiden sollten, sondern Organe, die nicht Partei sind, aber vorab von beiden Parteien als Streitschlichtungsinstanz vertraglich anerkannt wurden“
3.) Wow: Wer genau sind jetzt die beiden Parteien? Und wer genau hat diese vorab anerkannt? Wer hat diese privaten Konzerne überhaupt auf die Stufe gehoben dass die uns jetzt in Verhandlungen ihren Willen aufzwingen können? Nehmen wir mal an die bezahlten VertreterInnen der Tabakkonzerne entscheiden nicht direkt in den Fällen in denen es um Zigaretten geht dafür aber in denen es um Wasserprivatisierung geht. Dafür entscheiden dann die VertreterInnen dieser Konzerne in den Tabakfragen. Wie unabhängig wird das wohl sein? Und wer noch einmal hat diese Parteien vorab anerkannt? Bislang wurden die ganzen Verhandlungen fast nur von LobbyistInnen dieser Konzerne geführt und es gab keine demokratische Legitimierung irgend eines dieser Schlichtungsorgane.
Was hier abgeht ist für uns alle relativ klar ersichtlich: Die Konzerne wollen die lästige Demokratie beiseite schaffen und den Planeten in Zukunft ganz direkt und alleine regieren.
„Nur noch 39 Prozent der Deutschen befürworten den Abschluß von TTIP. Selbst in Frankreich sind es hingegen 50 Prozent, in Polen 73 Prozent, in Dänemark 71 Prozent und in Großbritannien 65 Prozent der Befragten, die TTIP befürworten.“
4.) Und ich dachte immer wir hier in Österreich hätten die breiteste Ablehnung von TTIP. Ohne dazu jetzt eine Studie zu haben würde ich vermuten die obigen Zahlen spiegeln in etwa den, in unterschiedlichen EU-Ländern unterschiedlichen Informationsgrad über TTIP wieder. Je mehr die Menschen über diesen Wahnsinn erfahren desto breiter die Ablehnung. Der Autor verschwendet jedenfalls kein Wort darüber warum denn die Verhandlungen dieser Verträge mit so extremer Geheimhaltung von statten gehen müssen. Aber da wird es wohl einen Grund geben.
“Deutschland war das Land, das 1959 in einem bilateralen Investitionsschutzvertrag mit Pakistan den weltweit ersten Vertag dieser Art abgeschlossen hat. Heute hat Deutschland 139 Investitionsschutzverträge, von denen 131 in Kraft getreten sind. Deutschland ist weltweit das Land mit den meisten Investitionsschutzverträgen. Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat ist in Deutschland dadurch nicht untergegangen und wird sicherlich nicht durch TTIP und CETA untergehen.”
5.) Hmm. Pakistan ist noch immer nicht gerade ein Vorzeigeprojekt wenn es um Demokratie geht und auch kein besonders reiches Land. (Es gibt aber eine relativ vermögende Oberschicht.). Konzerne aus Deutschland haben es mit solchen Verträgen aber geschafft die neokoloniale Ausbeutung dieser Länder relativ gut zu betreiben. Warum aber sollten sich jetzt die westlichen Industrieländern in ein ähnliche asymetrisches Abhängigkeitsverhältniss zu den Konzernen begeben? Was hätten wir für Vorteile davon?
Democracy is not a trade barrier! Or is it?
Dieser Artikel erschien im Original am 13.5.2015 auf qummunismus.at.